Jede Führungskraft, die andere Führungskräfte führt, kann in die Situation geraten, dass ein Mitarbeiter dieser Führungskraft mit einem Anliegen direkt auf sie zukommt, also eine Hierarchieebene „überspringt“. Jetzt heißt es besonders umsichtig und sensibel zu sein, denn diese Situation birgt für alle Beteiligten ein hohes Konflikt- und Frustrationspotential.
Versetzen wir uns in folgende Situation: Ein Geschäftsführer führt den Abteilungsleiter Buchhaltung, dieser wiederum ist direkter Vorgesetzter der Mitarbeiter der Buchhaltung. Eines Tages kommt einer dieser Mitarbeiter der Buchhaltung direkt zum Geschäftsführer mit einer Beschwerde über seinen Chef oder einem Anliegen, dass eigentlich durch den Abteilungsleiter der Buchhaltung zu entscheiden ist. Wie sollte der Geschäftsführer jetzt reagieren, damit aus dieser Situation kein Konflikt entsteht und die Beziehungsebene zwischen allen Beteiligten nachhaltig gestört wird?
Dieses Risiko ist groß. Hört sich der Geschäftsführer die Beschwerde oder das Anliegen an und trifft eine Entscheidung oder auch nur Aussage zum Thema, dann kann dies massiv die Beziehung zwischen Geschäftsführer und Abteilungsleiter belasten, der sich zu Recht übergangen fühlt. Auch die Beziehung zwischen dem Abteilungsleiter und seinem Mitarbeiter wird belastet, denn auch hier fühlt sich der Abteilungsleiter übergangen und gegenüber dem Geschäftsführer womöglich bloßgestellt. Die Rolle des Abteilungsleiters wird zudem geschwächt, denn der Mitarbeiter lernt, dass er (acuh) zum Ziel kommt, wenn er eine Ebene überspringt und direkt auf den Vorgesetzten seines Vorgesetzten zugeht.
Aber auch das "Abblocken" des Themas durch den Geschäftsführer und der Hinweis „Regeln Sie das mit Ihrem direkten Vorgesetzten!“ ist nicht die beste Lösung, denn dies erzeugt sehr wahrscheinlich Frust und ein Gefühl der Ohnmacht beim Mitarbeiter. Dass dieser direkt auf den Vorgesetzten seines Chefs zugeht zeigt ja, dass ihm das Thema sehr wichtig ist und es ist sehr wahrscheinlich, dass dieses Thema auf der Ebene darunter schon konfliktbeladen ist, ohne dass dort bislang eine Lösung erreicht werden konnte. Die direkte Ansprache durch den Mitarbeiter ist ein klares Warnsignal, dass es ein Problem auf der Führungsebene darunter gibt. Das Thema dorthin zurück zu verweisen reicht in der Regel nicht aus.
Wie also sollte der Geschäftsführer reagieren? Zunächst sollte er sich der Sensibilität des Themas bewusst sein und seine ganze Aufmerksamkeit auf den Mitarbeiter richten und sich anhören, worum es geht. Danach sollte er zwei Fragen stellen:
1. Warum kommen Sie mit dem Thema zu mir und nicht zu Ihrem Abteilungsleiter?
2. Was erwarten Sie von mir in diesem Thema?
Mit diesen beiden Fragen begibt sich der Geschäftsführer zunächst nur auf die Prozessebene des Vorgangs und vermeidet zunächst jeglichen Bezug zum Sachthema selbst.
Danach folgen zwei Schritte:
1. Einbeziehung des Abteilungsleiters über ein Einzelgespräch und anschließend
2. Ein Dreier – Gespräch mit allen Beteiligten.
Das Dreier – Gespräch ist unerlässlich, denn nur so können alle Beteiligten das Thema final auflösen und eine Vereinbarung treffen, wie zukünftig solche Themen behandelt werden sollen. Der Geschäftsführer nimmt dabei zunächst eine moderierende bzw. vermittelnde Rolle ein, denn er will ja, dass das Thema zwischen Abteilungsleiter und dessen Mitarbeiter geregelt wird.
Das schließt nicht aus, bei der Diskussion von möglichen Lösungen, dass der Geschäftsführer auch seine Sicht zum Thema schildert. Er muss dann nur deutlich machen, dass er seine Moderatorenrolle verlässt und zum Beteiligten oder sogar zum Entscheider wird, wenn er merkt, dass die anderen Beteiligten keine Lösung finden. Am Ende muss er wieder in die Moderationsrolle wechseln und sicherstellen, dass die Beteiligten mit der gefundenen Lösung leben können und dass kein nachhaltiger Schaden bleibt.
Wichtig ist auch ein unmittelbar danach folgende Aussprache zwischen Geschäftsführer und Abteilungsleiter zum Vorgang sowie auch ein Einzelgespräch zwischen Abteilungsleiter und dessen Mitarbeiter. In diesen abschließenden Einzelgesprächen gilt es sicher zu stellen, dass die Beziehungsebene zwischen den jeweiligen Beteiligten im Führungsprozess nicht nachhaltig gestört ist und was ggf. zu tun ist, eine gestörte Vertrauensposition nach und nach wieder aufzubauen.
Sehr hilfreich ist es, wenn die oben beschriebene Vorgehensweise schon vorher allen Beteiligten klar ist. Im Idealfall kommt nämlich der Mitarbeiter dann erst gar nicht allein, sondern Abteilungsleiter und Mitarbeiter kommen gleich zusammen zum Geschäftsführer und klären das Thema sofort in einem Dreier-Gespräch.
Mit Blick auf diese sehr anspruchsvolle Führungssituation Situation heute die folgenden Fragen:
1. Wie reagieren Sie, wenn Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen Ebenen übergehen?
2. Wissen Ihre Mitarbeiter, wie Sie mit einer solchen Situation umgehen?
3. Haben Sie schon einmal eine solche Situation erlebt und wie waren Ihre Erfahrungen?
4. Übergehen Sie auch manchmal Ihren Chef und wenn ja, warum?
5. Was würde in Ihrem Unternehmen helfen, diese Situationen zu vermeiden?
Wie immer wünsche ich ein schönes Wochenende und viel Glück und Erfolg bei allem, was Sie tun.
Ihr / Euer Frank Bönning
Commentaires