Entscheidend für das individuelle Führungsverhalten einer Führungskraft ist die jeweilige individuelle Führungshaltung. Spannend ist die Frage, welches Bild die Führungskraft von sich selbst in ihrer Führungsrolle eigentlich hat. Als was sehe ich mich selbst im Verhältnis zu meinen Mitarbeitern? Wie interpretiere ich das tatsächlich oder zumindest „gefühlte“ Über- und Unterstellungsverhältnis zwischen mir und meinen Mitarbeitern? Womit vergleiche ich diese Über- und Unterstellung offen oder insgeheim?
In Coachings spreche ich diesen Teil der Führungshaltung gerne mit verschiedenen Bildern an und frage meine Klienten, in welchem Umfang sie ihre Führungsrolle und ihre Positionierung gegenüber ihren eigenen Mitarbeitern mit diesen Bildern vergleichen. Ich biete dabei unter anderem drei Bilder an: Der Schäfer und seine Herde, die es zu hüten und zu umsorgen gilt. Der Schlagmann in einem Ruderboot mit den Ruderern, denen der Takt vorzugeben und die es anzutreiben gilt oder ein Elternteil mit den Kindern, die es zu erziehen gilt.
Auch wenn es sich viele Führungskräfte im ersten Moment nicht eingestehen wollen, so erkennen doch viele bei etwas längerem Nachdenken, dass sie sich in vielen Situationen von einem dieser drei Bilder leiten lassen.
Damit nehmen Sie eine Führungshaltung ein, die den Mitarbeitern Unrecht tut, denn Mitarbeiter sind weder Schafe, noch Ruderer, denen Richtung und Schlagzahl vorzugeben ist und schon gar nicht sind sie Kinder, die es zu erziehen gilt. Alle diese Bilder passen nicht und das aus dieser Haltung entstehende Führungsverhalten ist in vielerlei Hinsicht nicht funktional, denn es macht Mitarbeiter klein und wird damit dem Entwicklungsanspruch und der Potentialorientierung von Führung nicht gerecht.
Auch wenn der Rolle einer Führungskraft faktisch nahezu immer in der Praxis ein Über- und Unterstellungsverhältnis innewohnt, gilt es, den Mitarbeitern auf Augenhöhe zu begegnen und sie eben nicht zu behandeln wie ein Schäfer seine Schafe, oder der Steuermann seine Ruderer oder die Eltern ihre Kinder.
Führen heißt somit nicht „Hüten“, „Antreiben“ oder „Erziehen“ sondern Führen heißt „Vereinbarungen treffen“. Dieses Bild, dass ich mich wechselseitig mit meinen Mitarbeitern im Großen wie im Kleinen „vereinbare“ ist viel besser geeignet die Führungsbeziehung auf Augenhöhe zu beschreiben. Das schöne dabei ist: Vereinbarungen werden wechselseitig geschlossen. Es ist also klar, dass zu einer effektiven Führungsbeziehung immer beide gehören, Führungskraft wie Mitarbeiter und beide haben ihren Teil der Vereinbarung beizutragen und einzuhalten. Beim Mitarbeiter kann Engagement, sorgfältiges Arbeiten, Kreativität, Lösungsorientierung, Information und vieles mehr Teil der Vereinbarung sein. Die Führungskraft trägt zum Beispiel Sinngebung, Wertschätzung, Informationen und Rückdeckung zur (Führungs-) Vereinbarung bei.
Sich vereinbaren bedeutet auch, mit einander über Erwartungen und Wünsche und Bedürfnisse zu sprechen, denn nur so können Vereinbarungen überhaupt getroffen werden, wenn Kommunikation zwischen den Beteiligten zu diesen Themen stattfindet.
Vereinbarungen schaffen schließlich auch Transparenz, wo die Grenzen liegen, bei denen sie nicht mehr erfüllt oder verletzt werden. Um im Bild zu bleiben: Es geht dann eben nicht darum, Schafe wieder zusammenzutreiben, Ruderer anzufeuern oder Kinder zu erziehen und womöglich zu bestrafen sondern es geht darum heraus zu finden, warum getroffene Vereinbarungen nicht eingehalten werden oder was passiert ist, die getroffenen Vereinbarungen zu ändern oder anzupassen.
Zum Thema „Welches Bild von Führung habe ich?“ heute die folgenden reflektierenden Fragen.
1. Wie stehe ich zu den Bildern „Schäfer“, „Steuermann“ und „Erzieher“ in Bezug auf meine Mitarbeiter?
2. Gibt es Situationen in denen ich als Schäfer, Steuermann oder Erzieher meiner Mitarbeiter agiere?
3. Was halte ich persönlich vom Satz „Führen heißt vereinbaren“?
4. Welche Vereinbarungen mit meinen Mitarbeitern sind oder wären mir wichtig?
5. Welche Vereinbarungen habe ich mit meinem Chef getroffen und welche fehlen mir noch?
Wie immer wünsche ich ein schönes Wochenende und viel Glück und Erfolg bei allem, was Sie tun.
Euer / Ihr Frank Bönning
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