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AutorenbildFrank Bönning

Die Verantwortung für „schlechte Führung“ liegt auch beim umgebenden System der Führungskraft

Von Zeit zu Zeit nutzen Teilnehmer in meinen Trainings aber auch Klienten im Einzel-Coaching die Gelegenheit, das aus ihrer Sicht schlechte Führungsverhalten ihrer eigenen Führungskraft anzusprechen, oder anders gesagt, sich über das Führungsverhalten ihres Chefs oder ihrer Chefin zu beschweren.


Geschieht dies in einer Gruppe, verstärken sich die Beschwerden manchmal noch. Jeder hat dann noch ein Beispiel, wo der Chef wieder dieses oder jenes gesagt, nicht gesagt, getan oder nicht getan hat und manchmal scheint es in der Gruppe eine regelrechte Verbundenheit zu erzeugen, sich über den gemeinsamen Chef und dessen Führungsverhalten auszulassen. Manchmal wird dann auch bei mir nachgefragt, wie ich das beschriebene Verhalten des Chefs als externer Trainer / Coach bewerte und das so ein Verhalten doch wohl gar nicht ginge. Der Wunsch nach Bestätigung von meiner Seite ist also groß.


Nun weiß ich, dass Spannungen in der Führungsbeziehung zum eigenen Chef manchmal schon durch den Umstand, es in einem vertrauensvollen Rahmen aussprechen zu können, abgebaut werden können. Manchmal muss das eben raus und es tut insbesondere in der Gruppe gut, Bestätigung zu bekommen oder zu erkennen, dass auch andere im Unternehmen unter dem wahrgenommenen Verhalten zu leiden scheinen.


Ich selbst halte mich in der Bewertung von geschilderten Chefverhalten maximal zurück. Zum einen bekomme ich nur das gefilterte subjektive Bild des Mitarbeiters zur Kenntnis und solange ich die angesprochene Führungskraft selbst nicht in einer konkreten Führungssituation erlebt habe, bin ich schlicht nicht in der Lage mir dazu eine Meinung zu bilden. Gleichzeitig gestehe ich den Teilnehmern im Training oder meinem Klienten im Coaching natürlich ihre subjektive Sichtweise zu und damit ist sie – zumindest bei meinem Gegenüber - wahrgenommene Realität und kann daher auch nicht ignoriert werden, insbesondere wenn es einen Bezug zu den Trainingsinhalten oder zum Anliegen im Coaching gibt.


Also nehme ich das Thema auf, allerdings nicht, indem ich anfange mit meinem Gegenüber über deren Chef zu sprechen, sondern indem ich frage, wie die Teilnehmer des Trainings bzw. mein Klient mit diesem wahrgenommenen Verhalten ihres Chefs umgehen oder bisher umgegangen sind.


Erste Frage dabei ist: Welche Verantwortung haben Sie als Teil des ihren Chef umgebenden Systems, dass Ihr Chef so ist wie er ist?


Meistens sorgt die Frage für Irritation. Dass das umgebende System des Chefs eine Mitverantwortung am als schlecht empfundenen Führungsverhalten desselben tragen könnte, scheint vielen Führungskräften noch nicht in den Sinn gekommen zu sein. Entsprechend fallen die Antworten aus: "Das ist ja wohl nicht unsere Verantwortung, wie der oder die sich verhält!"


Hier wird es dann interessant, denn ich bin der Ansicht, dass das umgebende System einer nicht funktional führenden Führungskraft immer eine Mitverantwortung trägt, denn das mindeste, was dieses System tun kann, ist, das als nicht funktional empfundene Führungsverhalten zurückzuspiegeln und damit der Führungskraft die Möglichkeit der Reflektion zu eröffnen.


Wenn eine Führungskraft in Besprechungen permanent ihren Mitarbeitern ins Wort fällt, wie sollte die Führungskraft auf die Idee kommen, an diesem Verhalten irgendetwas zu verändern, wenn niemand den Schritt geht, diesen Umstand bei passender Gelegenheit anzusprechen? Wenn eine Führungskraft sich immer wieder abfällig gegenüber anderen Abteilungen äußert, welchen Grund sollte sie haben, über diese Verhaltensweise nachzudenken, wenn ihr dies von niemandem gesagt wird?


Die Mitarbeiter der Führungskraft scheinen oft zu glauben, dass es die Aufgabe des Chefs der Führungskraft sei, solches nicht hilfreiches Verhalten anzusprechen. Grundsätzlich ist das auch richtig, aber oft bekommen die „Chef-Chefs“ dieses Verhalten ja gar nicht mit, weil sie nicht dabei sind oder weil sich die Führungskraft schlicht anders verhält, wenn ihr eigener im Raum ist und somit gar keinen Anlass für ein Feedback hätte.


So kommt also den Mitarbeitern selbst die größte Bedeutung als Feedback-Geber zu. In einer stabilen Führungsbeziehung auf Augenhöhe sollte dies kein Problem sein, doch vielfach haben die Mitarbeiter schlicht Sorge oder sogar Angst, das Verhalten ihres Vorgesetzten anzusprechen, obwohl es sie ärgert. „So ist er eben“ oder „Ich bin bestimmt nicht der erste, der das bei ihr anspricht“.


Das Ergebnis ist für alle Beteiligten schlecht. Die Mitarbeiter ärgern sich dauerhaft über nicht funktionales Führungsverhalten und dem Chef wird eine wichtige Möglichkeit genommen, das eigene Führungsverhalten zu reflektieren und ggf. anzupassen.


Viele Mitarbeiter erwarten zudem, dass der Chef selbst doch merken müsse, dass das Verhalten nicht hilfreich ist. Leider setzt hier der Effekt ein, dass insbesondere Führungskräfte, die eine bestimmte Führungsebene erreicht haben, der festen Überzeugung sind, alles oder zumindest sehr vieles richtig gemacht zu haben und richtig zu machen, denn sonst wäre sie ja nie auf dieser Position gelandet. Je höher eine Führungskraft auf der Karriereleiter klettert, desto geringer kann die kritische Selbstreflektion sein und umso mehr wird eigenes nicht funktionales Führungsverhalten ausgeblendet. Gleichzeitig wird der Verantwortungsbereich und damit die Zahl der vom Führungsverhalten direkt und indirekt betroffenen Mitarbeiter immer größer und dann braucht es noch mehr Mut, dem Vorstand oder dem Geschäftsführer das Führungsverhalten zu spiegeln.


Also verlegt man das Feedback lieber an die Kaffeemaschine, ins Training oder ins Coaching, anstatt direkt mit dem Betroffenen zu sprechen. Dabei gibt es ausreichend Gelegenheit nicht funktional wahrgenommenes Verhalten beim Chef anzusprechen. Beim Mitarbeitergespräch oder im Anschluss an ein Meeting. Wichtig dabei: Das Verhalten sollte unbedingt nur unter 4 Augen angesprochen werden und dem Prinzip der „angriffsfreien Kommunikation“ in der Reihenfolge „Wahrnehmung, Wirkung, Wunsch“ folgen.


In vielen Fällen wird sich die Führungskraft dankbar zeigen, ein entsprechendes Feedback bekommen zu haben. Selbst wenn die Reaktion neutral oder sogar abwehrend erscheint, mag im Hintergrund doch ein Prozess des Nachdenkens und Reflektierens entstehen, vor allem, wenn ein und dasselbe Thema häufiger von verschiedenen Seiten angesprochen wird. Irgendwann wird die Führungskraft dann doch ins Nachdenken kommen und ihr Verhalten hinterfragen.


Diese Reflektionsfähigkeit des umgebenden Systems ist am Ende ein wichtiger Korrekturfaktor bei nicht funktionalem Führungsverhalten und führt zu einer Win-Win-Situation aller Beteiligten. Dies bedarf allerdings der Investition in ein wenig Zeit und Mut, dass wahrgenommene Verhalten anzusprechen.


Zum Thema „Verantwortung des umgebenden Systems“ wie immer 5 Fragen zur Selbstreflektion:


1.       An welchen Stellen nehme ich nicht funktionales Führungsverhalten in meiner Umgebung wahr?

2.       Was hindert mich, dieses Verhalten anzusprechen?

3.       Wie oft bekomme ich mein eigenes Verhalten durch mein umgebendes System gespiegelt?

4.       Wie kann ich andere in meinem System unterstützen, nicht funktionales Verhalten anzusprechen?

5.       Wie nimmt mein umgebendes System mein eigenes Verhalten wahr?


Wie immer wünsche ich viel Glück und Erfolg bei allem, was Sie tun.

Ihr Frank Bönning

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