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AutorenbildFrank Bönning

Terminkalender brauchen Lücken

Führungskräfte sind in der Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeiter, Kollegen, Chefs und Geschäftspartnern eng getaktet. Der Umstand, dass sich durch Corona persönliche Treffen in die virtuelle Welt verlagern hat dabei keineswegs für eine Entlastung im Terminkalender gesorgt sondern ganz im Gegenteil zu einer Terminverdichtung mit fatalen Folgen für die Effektivität von Führung und Zusammenarbeit und für den persönlichen Stresslevel der Beteiligten.


Kam es früher bei Präsenzmeetings schon rein physisch zu Pausen zwischen zwei Terminen, weil von einem Büro ins andere, von einem Meetingraum in den anderen oder bei Terminen außer Haus durch die erforderlichen Fahrtzeiten von A nach B gewechselt wurde, ermöglichen Video- und Telefonkonferenzen heute den Sprung von einem Meeting ins nächste praktisch ohne jeden „Zeitverlust“.


Das hört sich im ersten Moment positiv an. „Ich verliere keine Zeit mehr zwischen den Meetings um von A nach B zu gelangen.“ Auf den zweiten Blick jedoch kehrt sich dieser scheinbare Vorteil in einen entscheidenden Nachteil um. Durch das übergangslose virtuelle Springen von einem Termin in den nächsten, geht keine Zeit „verloren“ sondern es geht die Möglichkeit verloren, zum abgeschlossenen Meeting Abstand zu gewinnen, das Gehörte und Gesagte zu verarbeiten, sich die nächsten Schritte zu überlegen und vor allem: Emotionalen Abstand zu gewinnen.


Technisch mag es möglich sein, sich vom virtuelle Meeting mit dem Chef übergangslos in das Team-Meeting mit den Kollegen einzuwählen um direkt danach den geteilten Vertragsentwurf für einen Kunden mit dem engsten Mitarbeiter am Rechner „durchzusprechen“. Eine kognitive Verarbeitung der einzelnen Themen in einer Ruhe- und Entspannungsphase nach dem Termin - und sei es auch nur bei einer kurzen Autofahrt von A nach B - wird unmöglich gemacht und entweder wird die kognitive Verarbeitung mit ins nächste Meeting genommen, was dazu führt, das man „nicht bei der Sache ist“ oder die kognitive Verarbeitung erfolgt dann am Ende des Tages oder sogar zu Hause, dann aber geballt für alles was an dem Tag so besprochen wurde, zwangsläufig mit schlechterer Qualität, wenn man erschöpft vom langen Tag mehrere Meetings für sich rekapitulieren will.


Erst Recht gelingt es nicht, mögliche Emotionen durch Klicken der Schaltfläche „Meeting verlassen“ im vorhergehenden Meeting zu belassen sondern die Emotionen schwappen automatisch ins nächste Meeting rüber. Wie soll ich mich auf einen konstruktiven Austausch mit meinen Kollegen einlassen, wenn ich nur 2 Minuten vorher voller Ärger in einem Meeting mit meinem Chef oder Kunden gesessen habe? Hier einen emotionalen Schnitt zu machen und in zumindest neutraler Stimmung ins nächste Meeting zu starten gelingt nur den allerwenigsten und kostet dann auch noch jede Menge emotionale Regulierung und Kraft.


Führungskräfte brauchen daher sehr viel Disziplin, sich trotz aller kurzfristigen virtuellen Möglichkeiten nicht dazu hinreißen zu lassen, einen virtuellen Termin an den nächsten zu setzen. Es braucht ganz bewusst dazwischen geplante Lücken von wenigstens 20-30 Minuten, wovon die Hälfte auf das Reflektieren, Loslassen des vergangenen Meetings und die andere Hälfte auf die Vorbereitung des folgenden Meetings gerichtet sein sollten.


Wer dies beherzigt, hat nur Vorteile. Die Qualität der Meetings wird durch ordentliche sachliche und mentale Vor- und Nachbereitung verbessert und das Wohlbefinden gesteigert, da nicht ständig mit überlappenden Emotionen gekämpft werden muss. Auch die anderen Meeting-Teilnehmer werden merken, dass Sie mehr bei der Sache sind und nicht gehetzt wirken und bei Ihnen nicht noch andere Emotionen aus anderen Meetings und Sachverhalten nachwirken, möglicherweise mit negativen Folgen im aktuellen Meeting.


Dies gilt erst Recht bei Arbeit im Home-Office und dort vor allem zum Abschluss des Arbeitstages. So viel Zeit wir auch scheinbar sparen, weil Fahrtzeiten wegfallen und positive Effekte auf Kosten und Umwelt entstehen so sehr fehlt doch das „Abschließen“ des Arbeitstages und der Beginn des „Feierabends“, der eben durch so physische Rituale wie Rechner runterfahren, Licht ausmachen, Tür abschließen, Büro verlassen und nach Hause fahren gekennzeichnet ist. Wer im Homeoffice noch 2 Minuten vorher in einem schwierigen Video-Call mit dem Chef gesessen hat, der ist zwar physisch schneller „zu Hause“ und beim abendlichen Spielen mit seinen Kindern, aber emotional noch immer „im Büro“. Auch hier sollte nach dem letzten Call, der letzten geschriebenen Mail, dem letzten Aktenvermerk eine Phase des Abschaltens und der Verarbeitung erfolgen, die sonst auf dem Heimweg erfolgte. Daher lieber 10 Minuten später im Kinderzimmer ankommen als nur zu 50%.


Zum Thema „Lücken im Kalender“ heute die folgenden 5 reflektierenden Fragen:


1. Wie viel Zeit lasse ich mir und anderen zwischen meinen (virtuellen) Meetings?

2. Wie investiere ich die gewonnen Zeit, durch wegfallende Wegezeiten? In mehr Meetings oder in bessere Meetings?

3. Was hindert mich daran, zwischen den Meetings 20-30 Minuten „Luft“ zur Vor- und Nachbereitung zu lassen?

4. Wie denken mein Chef, meine Mitarbeiter und meine Kollegen über dieses Thema?

5. Wie kann ich meine Meeting-Partner dabei unterstützen, sachlich und emotional in Meetings anzukommen?


Wie immer wünsche ich ein schönes Wochenende und viel Glück und Erfolg bei allem, was Ihr tut.


Euer Frank Bönning


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